Tuesday, April 24, 2007

Elke, der fliegende Kartoffelsack

Hallo ihr Lieben,
so schnell kann es zu einem neuen Eintrag kommen. Diesmal haben sich die Wege von Basti und mir zum ersten Mal in unserer ganzen Zeit in Neuseeland getrennt und zwar auf krasse Art und Weise. Hier ist es so eine Art Nationalsport, sich in mehreren Kilometern Hoehe aus dem Flugzeug zu werfen, fuer eine gewisse Zeit Sklave der Erdanziehung zu sein und dann von ein paar Metern duennen Stoffes gerettet und sicher zur Erde zurueckbefoerdert zu werden. Es gibt die Aussage, dass man nicht Neuseeland verlassen darf, ohne einmal diesen Wahnsinn mitgemacht zu haben. Und waehrend Basti lieber mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen blieb um Geld zu sparen und Fotos zu machen, wagte Elke allein das grosse Unbekannte. Hier ihr Exklusivbericht:
Nachdem ich schon seit einigen Tagen, seit die Entscheidung zum Skydiving in Taupo in mir angereift war, steifbeinig und mir erstarrten Gesichtszuegen durch die Gegend gelaufen war, stapfte ich gestern kurzerhand, ohne weiteres Nachdenken, ins I-Site und buchte den Spass fuer eine unglaubliche Summe von mehr als zwei Tagen Hopfenfegen. Bis der Tag, an dem es um die Wurst ging, herangerueckt war, verbrachte ich die ganze Zeit mit flatterndem Herzen und ernsten Gedanken, was denn wohl passiert, wenn sich der Fallschirm nicht oeffnet. Basti tat jedoch sein Bestes, mir ordentlich Mut zu machen (er guckt ja auch nur von unten zu). All der Druck auf der Blase und mein steifes Benehmen verliess mich jedoch schlagartig, als wir heute gegen 2 Uhr die Halle der Skydivegenossenschaft betraten. Nachdem wir uns ein allgemeingueltiges und unfreiwillig komisches Video mit entgleisenden Gesichtszuegen angesehen hatten und ich eine Art Testament unterschrieben hatte, ging es auch schon fuer die erste Gruppe hinaus in die Luefte und kurze Zeit spaeter sah man kleine, schwarze Punkte durch die Wolken auf die Erde zurasen, bevor sich ihre farbenfrohen Fallschirme oeffneten. Kurz darauf wurde auch ich zusammen mit zwei Irinen in rote Overalls gestopft, bekamen eine kleine Bauchtasche mit Schwimmweste umgeschnallt( wobei eine Schwimmweste bei einem Aufprall aus ueber 4km Hoehe auf dem Lake Taupo relativ unnuetz ist- aber wenigstens vermittelte das einen Hauch von Sicherheit) und wurden in das bekannte Fallschirmspringergestell geschnallt. Zusammen mit einer Lederfliegerkappe und Schutzbrille sahen wir also aus wie tollkuehne Flieger in ihren Kisten- oder auch wie die totalen Deppen. Die beiden Maedchen flippten komplett aus, waehrend ich ploetzlich die Ruhe selbst wurde. Dieser Zustand von Ruhe und Geistesklarheit sollte sich auch die ganze Zeit ueber halten, sodass ich mich an jede kleine Einzelheit erinnern kann, waehrend die anderen ein voelliges Blackout erlitten. Kurz darauf stiegen wir ins kleine Flugzeug und hoben ab. Wir hatten ein Mordsglueck, denn der Himmel war nahezu wolkenlos und wir konnten ewig weit sehen, ueber den gesamten, riesigen Lake Taupo, die Vulkane und Berge und sogar beide Ozeane westlich und oestlich von Neuseeland. Zusammen mit ein paar Fluffelwolke, die ewig weit unter uns lagen, war es einfach grandios. Doch dann wurde ich schon extrem fest an Dean, meinen Hintermannprofiskydiver, geschnallt. Meinetwegen waer ich sogar in ihn reingekrochen,solange ich nur fest angeschnallt war. Er fragte noch kurz, ob wir mit Rolle rausspringen wollten und ich dumme Kuh hab auch noch "Klar" gesagt. Dann kam der Moment, in dem sich der Mensch vom Affen trennt. Wir sassen auf der aeussersten Kante des Flugzeuges, 12.000 ft oder 4000 Meter ueber der Erde, unter uns nicht als unendliche Weite. Es war so extrem hoch, dass sogar die Wolken kilometerweit weg aussahen und man die Erdkruemmung sehen konnte. Der Moment, in dem wir uns aus dem Sitzen vornueberfallen gelassen haben und in den freien Fall uebergingen, war so ziemlich das komischste und unvergleichlichste Gefuehl, das ich je gehabt habe. Als waer das nicht schon genug gewesen, machten wir alle moeglichen Rollen, Ueberschlaege und Spiralen, die man sich nur vorstellen konnte. Wir flogen annaehernd mit Lichtgeschwindigkeit, so kam es mir vor, und innerhalb einer Zehntelsekunde war das Flugzeug schon Meilen ueber uns. Alles, was man bei den Rollen sieht ist Himmel, Erde, Flugzeug, den Horizont, alles im Wechsel in Bruchteilen von Sekunden. Dazu ist das Koerpergewicht von einem selbst andauernd an anderen Stellen des Koerpers verteilt. Das heisst, es fuehlt sich an, als haette man nen tonnenschweren, riesigen Elefantenfuss, nen Monsterdaumen, nen Kopf so gross und schwer wie ne Bowlinkugel, je nachdem, was oben ist und spaeter runterfaellt. Daszu befinden sich noch saemtliche Innereien an Orten, wo sie sonst nicht hingehoeren. Es war ehrlichgesagt total geil, irre und grausam gleichzeitig, da der Koerper nicht in der Lage ist, alles in Einklang zu bringen. Das resultau war, dass mir nach einer Sekunde so schlecht war, als haette ich hundert Rollen unter Wasser gemacht. Nach einiger Zeit wilden rumwirbelns flogen wir jedoch im gewoehnlichen Flughoernchen-Stil runter, sodass man etwas die Aussicht geniessen konnte. Wieder sah ich ganz Neuseeland auf einmal oder aber die Erde, wie sich auf uns zuraste. Da wir aber mit ueber 200 km/h ohne Gehaese, nur mit unserem Koerper fielen herschte ein unglaublicher Sturm um uns, der mich taub und halbblind machte. Ich hab sogar trotz Brille ne Kontaktlinse verlohren, aber wiedergefunden. Ich hab vorher immer komischerweise gedacht, ich weiss auch nicht, wie ich darauf gekommen bin, dass man beim freien Fall schwerelos ist. Statt dessen wiegt man aber das Vielfache seines Koerbergewichts und fuehlt sich, als wuerde ein Elefant auf einem sitzen. Nachden wir noch ein paar lustige Raeder gedreht hatten und kopfueber gen Erde brausten, was mir endgueltig den Rest gab, und die Wolkendecke durchbrochen war, oeffnete sich mit einem heftigen Ruck der Fallschirm, wobei meine saemtlichen Eingeweide in den Fuessen Halt machten. Nach etwa 45 Sekunden freien Falls, die sich wie 45 Minuten anfuehlten, segelten wir sanft zur Erde. Dean meinte nur nur:" Da unten, auf dem kleinen Stueck Rasen muessen wir landen und gab mir die Steuerstrippen in die Hand- kein Anderer durfte das heute machen. So manoevrierte ich uns in weiten Kreisen ueber das Land und wir landeten sicher und wohlbehalten nach minutenlangem Segeln mit Wahnsinnsblicken auf dem Flugplatz. Mir war und ist jedoch total schlecht und ich hab ordentliche Ohrenschmerzen. An sonsten war es aber grandios, wahnsinnig und ein unglaubliches Koerpergefuehl. Das Verrueckteste, Unglaublichste, Bescheuertste, Unwirklichste und Gruseligste, was ich bisher gemacht habe, obwohl ich noch auf die Adrenalinwelle, die mir aus allen Oeffnungen spritzt, warte. Dafuer kann ich mich aber an alles genau erinnern. Man kann halt nicht alles haben.



Ich seh nur ein bisschen bloede aus


Alles ordentlich festschnueren...



Der Doppeldecker


Erfolgreiche Fallschirmoeffnung


Gluecklich gelandet

Mission beendet
"Manchmal ist der Schritt von Angst zu Mut wie ein Fall nach vorne."

2 Comments:

At 7:20 am, Anonymous Anonymous said...

Hallo, Ihr Weltenbummler,
habe ich vor ein paar Tagen nicht noch schwermütige Kommentare gelesen, wie traurig es ist, die schöne Südinsel zu verlassen? Und nun solche Abenteuer: Kanuexpedition, Vulkanwanderung, Fallschirmspringen (ach nee, das heißt ja dort Skydiving) - so übel kann es ja auf der Nordinsel auch nicht sein! Paßt aber auf Euch auf und viel Spaß und weitere Abenteuer wünscht Euch Heiko

 
At 4:31 am, Anonymous Anonymous said...

Hallo Ihr Beiden!
Viele Grüße aus Michendorf. Natürlich lesen wir regelmäßig Eure Reiseberichte und sind schon immer sehr gespannt. Wir sind also in Gedanken bei Euch.
Nachdem unser Internet lange Zeit gesponnen hat, nun erst mal ganz schön nachträglich noch herzliche Geburtstagsgrüße an Elke! Langsam geht Euer Jahr zu Ende und die Heimat ruft wieder. Genießt die letzte Zeit und vor allem überlebt sie!
Viele liebe Grüße senden Kerstin und Familie

 

Post a Comment

<< Home